Rezension von Dr. Esther Morales-Cañadas

Theo Wunderlich und seine Freunde von Marianne Stegmaier (Voß)

(Ein Abenteuer aus der Elfenwelt) von Marianne Voß

In der letzten Zeit erscheinen viele Märchen für Kinder und Jugendliche, in denen das Thema Umweltschutz behandelt wird. Sie haben das Ziel, den Menschen von Kindheit an über Ökologie und Nachhaltigkeit aufzuklären und Interesse daran zu erwecken. In diesen Märchen werden normalerweise die Tiere und Pflanzen in den Vordergrund gestellt, und der Mensch erscheint als Hauptakteur der negativen oder positiven Geschehnisse.

Das Märchen von Marianne Voß „Theo Wunderlich und seine Freunde“ ist dagegen etwas anders. In dieser Geschichte agieren Elfen, die wie menschliche Wesen denken und tun, mit dem einzigen Unterschied, dass sie klein sind und Flügel haben.

In der Welt dieser Elfen herrscht aber mehr Warmherzigkeit und Solidarität als in unserer menschlichen Gesellschaft.

Schon im ersten Kapitel stehen die sozialen Kompetenzen im Vordergrund, doch nicht nur bei den Erwachsenen, sondern auch bei den Kindern. Und es ist ein Kind, das Elfen-Mädchen Susanne, das bereit ist, Einiges zu riskieren, um Nils und seiner kranken Mutter zu helfen. Der Leser (hoffentlich auch der Vorleser und der Zuhörer) kann bei diesem Anfang nicht ahnen, was alles danach geschehen wird und nach welchem Ziel die Autorin strebt. Man vermutet, die eigentliche Hauptfigur soll Theo Wunderlich sein. Und auch denkt man, er soll ein Held sein. Glücklicherweise gibt es in diesem Märchen keine Helden und Theo ist „nur“ ein Auserwählter, jemand Besonderes, wie viele von uns sein könnten. Vordergründig ist der tiefe soziale Sinn, den die Autorin vermittelt: Nur mit dem Zusammenschluss aller Elfen – egal welchen Alters oder Herkunft – werden die Tiere und ihre Lebensbereiche gerettet. Deswegen braucht man keinen außergewöhnlichen Helden. Die Elfen agieren auch nicht mit Magie, sondern mit der inneren Kraft ihren Seelen, deren Wirkung nur durch die Gedanken und Willenskraft aller zusammen zustande kommt. Das Buch ist deswegen nicht nur für Kinder, sondern auch für Jugendliche geeignet, denn die Welt der Elfen stellt mehrere Parallelen mit der Welt der Menschen dar. Das ist eine gute Taktik, um das Interesse der jungen Leser zu erwecken, denn diese sind mehrheitlich nicht mehr an fantastische Erzählungen gewöhnt und können sich somit besser identifizieren.

Diese Parallelen sind u.a.: – Das Leben der Elfen verläuft wie bei uns und besteht aus Familien mit Kindern mit Eltern und Großeltern, sowie Verwandten, Schulen, Krankenhäuser, Hunde als Haustier usw.

– Das Erwachsenwerden der Elfenkinder wird durch ein magisches Staubkorn gekennzeichnet, betrifft sowohl Mädchen wie Jungen. – Die Elfenkinder haben Flügel, dürfen aber nicht fliegen, bis sie richtig erwachsen geworden sind. Das ähnelt der Erlaubnis eines Führerscheins.

– Die Elfen haben kein Handy, können jedoch über Entfernungen dank eines Stärkungstranks kommunizieren. – Die Initiative der Elfenkinder wird von den Erwachsenen wahrgenommen und unterstützt, doch unter der Verantwortung der Kinder und folgt einem Plan, der überwiegend von den Erwachsenen gestaltet ist.

– Die Elfenkinder respektieren die Ratschläge der Erwachsene und sind dankbar dafür.

Es ist im Grunde diese ideale Welt, nach der wir alle streben, eine Welt, von der wir alle träumen und in der wir uns wünschen, dass unsere Kinder diese Realität finden.

Wie in jedem Märchen erscheinen auch die Bösewichte, die diese friedliche Atmosphäre zerstören wollen: Menschen, für die die Wirtschaft und der Profit wichtiger sind als die Natur; und der gierige Mensch, der ein Waldgebiet in ein luxuriöses Stadtgebiet verwandeln will, ohne Rücksicht auf Verluste. Es gibt aber keinen Kampf. Alles verläuft durch Rituale, durch die inneren Kräfte dieser reinen Wesen – die Elfen-, die in die Seele der Menschen eindringen und sie überzeugen, was gut für uns alle ist, und in diesem „alle“ sind Menschen, Tieren und Natur einbezogen. Der Hartnäckigste von allen, Herr Tropf, der Eigentümer des Waldgebietes, wird auch nicht bekämpft. Hier kommt die soziale Ader der Verfasserin ins Spiel: Der erste gierige Gedanke von Herrn Tropf ist die Folge seiner Einsamkeit und der einzige Sieg gegen ihn ist, Liebe und Freundschaft zu ihm zu bringen. Welche wunderschöne Botschaft!

Das Märchen ist mit sehr interessanten und spannenden Momenten aufgebaut – insbesondere in den Ritualen. Der Verlauf der Geschichte ist immer eine Überraschung, und man bekommt gleichzeitig diese Freude des Friedens, der Ruhe, der positiven Gedanken und der Überzeugung, dass nur mit Liebe und Geborgenheit unsere Welt zu retten ist. Ich würde mir wünschen, es gebe kein Handy und kein Computerspiel mehr und die Mütter würden gerne ihren Kindern vorm Schlafengehen solche Märchen vorlesen, anstatt sie durch die digitalen Medien verführen zu lassen. Ich würde mir aber auch wünschen, es gebe viele Erwachsene, die gerne Märchen wie diese lesen, denn so würde unser Leben viele bunte und friedliche Farben bekommen und das Kind in uns würde weiterleben können.

Erwähnenswert sind auch die eindrücklichen Illustrationen von Franka Möhricke. Ihre Zeichnungen sind minimalistisch, jedoch entsprechen sie dem Charakter jeder behandelten Figur und bekräftigen die Aussage, die Marianne Voß uns vermitteln will.

Und so wünsche ich der Autorin einen großen Erfolg mit ihrem Buch!




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