Rezension
Der Buchtip im Echo - Vom Matriarchat zum Patriarchat
"Märchenhafte Gedanken", verborgene Botschaften

Die Königin nähte am Fenster. Das Fenster rahmte schwarzes Ebenholz. Die Königin schaute auf den weißen Schnee, stach sich in den Finger und drei Tropfen Blut fielen in den Schnee. Und die Königin dachte bei sich: hätte ich doch ein Kind, so weiß wie Schnee, so rot wie Blut, so schwarz wie Ebenholz. Die Königin bekam das Kind und starb.

So beginnt das Märchen vom Schneewittchen". Wir kennen es, aber machen wir uns auch Gedanken über die Symbolkraft, die darin steckt? Gudrun Strüber hat es getan und ihre "Märchenhaften Gedanken" in einem - ihrem ersten - Buch herausgebracht.
Die Farben Weiß, Rot und Schwarz verweisen auf die Muttergöttin in ihren drei Gestalten (die Junge, die Fruchtbare, die Alte) und den weiblichen Zyklus. Im Wissen um diese Zyklen haben die Frauen im Matriarchat gelebt.

Der König nahm sich eine andere Frau, schön, stolz, hochmütig, mit einem wunderbaren Spiegel, in dem sie sich ständig beschaute und fragte: Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land? Zufrieden ging sie weg, wenn ihr das der Spiegel bestätigte.

Bei Gudrun Strüber hat die Frau jetzt den Schritt in dieGesellschaftsform des Patriarchats getan. Sie will für den Mann reizvoll sein, bezieht ihr Selbstbewußtsein aus dem Spiegel, pflegt nur Äußerlichkeiten.
Märchen als Zeitzeugenberichte. Die Bilshäuserin Gudrun Strüber erlaubt uns einen verblüffenden Blick hinter die Symbol-Kulisse, dringt in die Hinter- und Abgründe der alten Grimmschen Märchen, schlüsselt uns die Bedeutungsschwere von Begriffen auf, über die der Märchenleser und Erzähler hinweggeht.

Was bedeuten Raben, Frösche, Sterne oder die sieben Zwerge im eigentlichen Sinne? Welche Mystischen Bedeutunghaben Feen, Gold, Hexen, ein Kuss oder die Jahreszeiten? Die Märchenhaften Gedanken" sind ein nützlicher Leitfaden für alle, die sich unseren Märchen auf neuem Wege nähern wollen.

"Um die versteckte Botschaft in den Märchen zu finden, bedarf es nur etwas Geduld und ein Horchen in die eigene Seele", schreibt Strüber. Ein guter Rat. Nimmt man dabei ihr Buch zur Hand, ist´s einfacher und macht Spaß
Jürgen Capito

zurück