Leseprobe:
Der Marshal - Tuckers Gesetz (Niko Hass)
Prolog
Lediglich das Zirpen der Grillen und ein gelegentliches leises Platschen
der Fische waren zu hören, als Dan Baker den Blick über den
Fluss schweifen ließ. Er hatte sich eine Zigarette angezündet
und schätzte das Terrain ab. Außer einem winzigen hin und wieder
aufleuchtenden rotglühenden Punkt sah man nichts von ihm. Er verschwamm
als undeutlicher schwarzer Schatten mit der Umgebung. Dan stand unter
einer Baumgruppe in der Nähe des Ufers. Er schaute die höher
gelegene Böschung hinauf, von wo aus er vollkommen unsichtbar war.
Dort oben war sein Begleiter, der sich im Gegensatz dazu gegen den fahlen
nächtlichen Himmel abhob und von ungebetenen Beobachtern ohne Schwierigkeiten
hätte entdeckt werden können. Bart Finnegan stand reglos da
wie ein vom Mond matt beschienenes Denkmal und schaute ebenfalls zum Fluss.
Dann, als hätte er Dans Blicke gespürt, wandte er sich ihm zu
und stieg die Böschung hinab.
Die Witterung erwies sich als ideal für das Vorhaben der beiden Männer.
Der Mond verschwand von Zeit zu Zeit zwischen tiefhängenden dichten
Wolkenbänken. Ansonsten spendete er gerade so viel Licht, dass
die unmittelbare Umgebung erkennbar blieb, aber alles, was weiter weg
war, mit dem Dunkel der Nacht eins wurde.
Bart trat neben seinen Kameraden. Ich denke, hier wird es gehen.
Dan Baker nahm einen tiefen Zug aus seinem Glimmstengel, sodass die Glut
hell aufleuchtete. Dann stieß er den Rauch geräuschvoll durch
die Nase aus und nickte. Ja, die Stelle ist perfekt. Dort drüben
fangen wir an. Du kannst die anderen herholen. Sie sollen aber keinen
unnötigen Lärm machen mit dem Wagen. Verstanden?
Geht klar, bestätigte Bart, kletterte die Böschung
hinauf und verschwand in der Nacht.
Dan nickte befriedigt und begab sich zu dem Punkt, an dem sie die Durchführung
des Plans beginnen würden. Er ging in die Hocke und befühlte
den Boden. Lehmige und zähe Erde. Wie geschaffen dafür. Das
sollte genug Stabilität bringen, dachte er und überschlug
ungefähr, bis wohin sie würden gehen müssen und ob das
Material ausreichen würde. Als er sich aus seiner kauernden Position
erhob, sah er, wie die anderen mit dem Wagen leise klappernd am Rand der
Böschung auftauchten. Er zog ein letztes Mal an der Zigarette und
warf sie lässig zur Seite. Dann stieß er einen kurzen und durchdringenden
Pfiff durch die Zähne aus, damit seine Kameraden ihn im Dunkel des
Ufers ausmachen konnten. Unmittelbar darauf lösten sich zwei
Schatten aus der Gruppe am Wagen und eilten auf Dan zu. Der eine von ihnen
erschien ihm größer und um einige Grade massiger als der andere.
Als sie sich näherten, erkannte Dan, dass es an den Holzpflöcken
lag, die der Mann anscheinend mühelos herbeischleppte. Dan kannte
nur einen, der solche Kräfte besaß.
Ah, Sykes! Auch dabei, wie ich sehe. Das ist gut!, begrüßte
er den Neuankömmling, der ihm mit einem Bass antwortete, der aus
den Tiefen seines gewaltigen Brustkastens zu kommen schien.
Glaub bloß nicht, dass ich die ganze Arbeit allein mache,
nur weil alle meinen, ich sei der Stärkste hier! Matthew Sykes
ließ die Pflöcke mit einem Grunzen laut polternd vor Dans Füße
fallen und entblößte grinsend eine Reihe makelloser weißer
Zähne, die im Mondlicht aufblitzten.
Du bist der Stärkste, entgegnete Dan und gab dem Hünen
einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter. Aber deshalb eine
um so wertvollere Hilfe, mit der alles viel schneller gehen wird.
Wollt ihr die ganze Nacht tratschen wie alte Waschweiber? Oder fangen
wir jetzt vielleicht mal endlich an?, ließ sich Bart Finnegan
ungeduldig vernehmen.
Habt ihr alle Rollen Stacheldraht dabei? Oder nur eine? Dan
ging auf die offenkundige Nervosität seines Kameraden mit keiner
Silbe ein, sondern kam sofort zur Sache. Wenn nicht, haben wir nämlich
ein Problem.
Was denkst du denn? Natürlich ist alles da!
Also los, fangen wir an. Sykes, du setzt den ersten Pfosten genau
hier. Von dort aus ziehen wir den Zaun mit dem Draht bis hoch zur Straße.
Dann weiter ungefähr eine dreiviertel Meile. Wie Mr. Tucker
es angeordnet hat.
Bart grinste hämisch. Okay, so machen wirs. Dann soll
der arrogante Pinsel von Pine doch sehen, wo er seine Rinder saufen lassen
kann.
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