Leseprobe:
Was macht Herr Mond am Montag?

Wirklich arm ist nur, der nie geträumt hat!
Marie von Ebner-Eschenbach


Herr Mond will auf die Erde

In einer sternenklaren Nacht blickte Herr Mond wie jeden Abend erfreut auf die Erde herab.
„All die vielen Lichter!“, staunte er. „Manche tanzen, andere stehen still, manche sind groß und leuchtend hell, andere sind winzig klein und blass! Ach wie schön sind sie anzusehen!“
Das sagte Herr Mond jeden Abend zu seinen Nachbarn den Sternen, vorausgesetzt dass die Wolken ihm nicht die Sicht versperrten. Er bestaunte das Blinken und Glitzern der Lichter auf der Erde so, wie die Menschen am Abend den Mond und den Sternenhimmel bestaunen. Danach erzählte er den Sternen wunderschöne Lichter-Geschichten. Und jede Geschichte endete mit dem Satz: „Ach, wenn ich doch nur einmal hinunter könnte.“
Seit einiger Zeit jedoch wurde die Stimme des Mondes lauter und dringender, fast ein wenig ärgerlich. Herr Mond wusste sehr wohl, dass er am Himmel eine wichtige Aufgabe zu erfüllen hat und seinen Platz nicht verlassen darf. Aber von Tag zu Tag wurde sein Wunsch größer und er schaute nachts begieriger hinunter auf die Erde. Immer dünner wurde er, weil er vor lauter Sehnsucht total vergaß, Himmelsstaub zu essen. Als er nur noch wie ein krummer Strich im Weltall hing, sagte er trotzig: „Ich gehe hinunter und schaue mir alles aus der Nähe an, basta.“
Sein Entschluss stand fest. Ja er stand sogar so fest, dass er augenblicklich wieder Appetit bekam und von Tag zu Tag dicker und runder wurde. Es gab nur ein Problem, das noch zu lösen war. Herr Mond grübelte und grübelte: „Wenn ich vom Himmel verschwinde, werden mich alle suchen; denn ein Himmel ohne Mond – unvorstellbar!“
Drei lange Tage und Nächte dachte er nach, überlegte hin und her. Für den alten Herrn Mond war das schon eine ziemlich große Anstrengung. Am vierten Tag, kurz nach Sonnenuntergang stand er auf und hatte endlich eine Idee: „Ich werde den Wettermann fragen. Der kann bestimmt während meiner Abwesenheit den Himmel mit Wolken verhängen. So wird mich niemand vermissen, und ich kann mir die vielen Lichter der Erde aus der Nähe anschauen.“
Der Wettermann hörte sich die Wünsche von Herrn Mond erst einmal ruhig an.
„So, so“, antwortete er finster, „du willst also deinen Arbeitsplatz verlassen, so mir nichts dir nichts. Einfach so mal weggehen?“ Er hielt einen Moment inne, dann donnerte er los: „Was denkst du dir eigentlich? Meinst du, hier kann jeder einfach machen, was er will? Was gäbe das für ein Durcheinander am Himmelszelt! Die Sterne würden ganz ihre Orientierung verlieren! Nein – nein! Hier oben herrscht Ordnung! Jeder kann sich darauf verlassen! Schlag dir also diesen Unsinn aus dem Kopf!“ Gefährlich zuckten seine grellen Blitze am Himmel. Herr Mond wagte nicht, weiter zu bitten, wurde aber erneut lustlos und traurig. Er konnte einfach an nichts anderes mehr denken. Niemals die Erde aus der Nähe zu sehen, das war furchtbar!

 

 

zurück