Leseprobe:
Eriks Abenteuer in Merlins Reich

Buch 1 Eriks Weg über die Brücke der Sonne
Kapitel 1 Von Elfen und Zwergen

Erik hatte es sich auf einer Bank bequem gemacht und ließ sich von den warmen Strahlen der Morgensonne bescheinen. Seine Freunde Björn und Lars ließen mal wieder auf sich warten. Außer ein paar Joggern war so früh noch niemand im Park. Er genoss die Ruhe und hörte dem Gezwitscher der Vögel zu, die in den großen Bäumen ihr Morgenlied sangen. Alles war so friedlich, wie in einem schönen Traum.
Doch was war das? Da zupfte doch jemand an seinem Hosenbein. Verwundert richtete Erik sich auf und sah an sich herunter. Was er da sah, verschlug ihm die Sprache. Neben der Parkbank stand ein winziges Männchen, etwa einen halben Meter groß, mit feuerrotem, strubbeligem Haar und großen blauen Augen. Er hielt den Saum von Eriks Hosenbein mit beiden Händen umklammert und zog daran.
„Wer ... wer bist ... du?“, fragte Erik verwirrt.
„Ich bin Gunnar der Knecht“; antwortete der Kleine mit einer Stimme, die Erik ihm nie zugetraut hätte. Sie klang tief und angenehm.
„Und was bist du?“, Erik war nun hellwach und setzte sich mit einem Ruck auf.
„Na ein Zwerg, das siehst du doch.“
Natürlich, ein Zwerg. Es gab ja auch nichts Selbstverständlicheres, als an einem frühen Sommermorgen in einem Park auf der Insel Island einem Zwerg zu begegnen, der zu allem Überfluss auch noch sprechen konnte.
Gunnar musterte Erik sehr genau und sagte schließlich: “Ich glaube, ich kann dir vertrauen.“
„So, so“, gab Erik zurück. „Du vertraust mir. Das finde ich toll. Kannst du mir vielleicht mal verraten, was du von mir willst?“
Der Zwerg sah nach oben und fuchtelte mit seinen dünnen Armen in der Luft herum.
Erik folgte seinem Blick und sah, wie sich aus der großen Linde über ihm etwas Weißes löste und wie ein Vogel heruntergeflattert kam, um auf seinem Knie zu landen.
„Das glaube ich einfach nicht. Das kann nur ein Traum sein.“ Erik rieb sich die Augen.
„Es ist kein Traum“, piepste das weiße Wesen.
„Das ist Prinzessin Saika. Sie ist eine Elfe und braucht deine Hilfe“, stellte Gunnar das zarte Wesen mit den goldschimmernden Flügeln vor. Sie war noch kleiner als der Zwerg und wirkte in ihrem weißen Kleid beinahe durchsichtig. Ihr langes hellblondes Haar zierte ein goldenes Krönchen. Vorsichtig streckte Erik seine Hand aus und berührte die zarten Flügel.

Buch 2 Eriks Reise auf den Flügeln des Windes
Kapitel 2 Schlechte Nachrichten

Erik war erstaunt, in welch atemberaubendem Tempo die alte Lokomotive das Bahnhofsgelände hinter sich ließ und durch die Vorstadt brauste. Die letzten Häuser waren schnell aus ihrem Blickfeld entschwunden und sie fuhren nun in rasender Geschwindigkeit durch hügelige Wiesen auf den Wald zu. Für einen Moment schloss Erik seine Augen. Von der schnell am Fenster vorbeihuschenden Landschaft wurde ihm schwindlig. Als er die Augen wieder öffnete, hatte sich die Gegend verändert. Sie fuhren jetzt durch dichten Wald auf ein Felsmassiv zu, in das vor langer Zeit ein Tunnel gehauen worden war. Er gähnte ihnen als schwarzer Rachen entgegen. Noch einmal erhöhte die alte Dampflok das Tempo und Erik fragte sich, ob sie überhaupt noch auf den Schienen fuhr. Er hatte eher das Gefühl, in einem Flugzeug zu sitzen. Sie rasten in den Tunnel hinein, es wurde stockfinster um sie herum. Nur das Feuer im Kessel der Lokomotive verbreitete ein gespenstisches Licht. Ein kalter Schauer lief Erik über den Rücken und er bekam eine Gänsehaut. Der Tunnel nahm und nahm kein Ende. Raue Felswände, in dem flackernden Licht kaum zu erkennen, glitten dicht am Fenster vorbei.
„Wie lang ist dieser Tunnel“, fragte Erik.
„Ziemlich lang“, antwortete Kandar. „Er trennt die Welt der Menschen von Merlins Reich. Sieh, da vorn wird es hell. Wir haben es gleich geschafft.“
Die Dampflok hielt mitten auf einer grünen Wiese. Vögel sangen und Schmetterlinge tummelten sich in farbenprächtigen Blüten. Begeistert sprang Erik aus der Lok und schlug übermütig einen Purzelbaum. Er war wieder in Merlins Reich angekommen. Da gab es gar keinen Zweifel. Auf dieser Wiese war er letztes Jahr eingeschlafen und hatte geträumt, dass ein Schmetterling ihm eine Geschichte erzählt.
„Schön wieder bei euch zu sein!“, rief er. „Ich habe euch vermisst!“
„Wir dich auch“, gestand Gunnar.
„Ja, wir haben dich vermisst, aber deswegen hätten wir dich nicht hierher bringen dürfen“, Kandars Stimme klang sehr ernst.
„Nachdem du uns verlassen hattest, blieb es eine Zeit lang ruhig in Merlins Reich, abgesehen von ein paar kleineren Raufereien zwischen Zwergen und Kobolden, bei denen die Kobolde stets den Kürzeren zogen, war alles sehr friedlich. Die Elfen wachten über die Krone der Weisheit, die Zwerge beschützten die Elfen. Auch die drei Segensreichen wirkten wieder zum Wohle von Merlins Untertanen. Terrana ließ das Korn reifen und die Bäume reiche Frucht tragen. Ragna schützte das Land vor Blitz und Vulkanausbrüchen und Windweh hielt die Stürme im Zaum.“
„Dann ist doch alles in bester Ordnung“, unterbrach Erik Kandars Bericht und fügte hinzu: „Schläft Merlin denn immer noch?“
„Nein, er ist vor einiger Zeit erwacht und regiert sein Reich nun wieder selbst“. Das war Saikas glockenhelle Stimme. „Er hatte in seinen Träumen gesehen, was mit Morgana geschehen war und suchte die böse Zauberin im Spinnenturm auf.“
„Was, Merlin ist selbst in den Spinnenturm gegangen?“ Erik war erstaunt.


Buch 3 Eriks Fahrt durch den Tunnel der Zeit
Kapitel 3 Zwerge räumen auf

Das ganze Zwergenvolk schien auf den Beinen zu sein. Ausgerüstet mit Äxten, Sägen und Spaten waren sie zur Grenze von Merlins Reich aufgebrochen, dorthin, wo die Berge und das Felsenland ihren Anfang nehmen. Der Nordwind, von Morgana entfesselt, hatte großen Schaden angerichtet. Viele Bäume waren umgestürzt und blockierten den Weg in die Berge. Auch die Schlucht, die zu Margus Höhle führte, war durch entwurzelte Bäume versperrt.
Gunnar und Hagulf saßen mit Margu zusammen in seiner Höhle und beratschlagten, was zu tun sei, als Windweh ihnen die frohe Kunde von der Rückkehr Eriks und Ansgars brachte.
„Du hast es geschafft, Windweh, du bist große Klasse!“, jubelte Gunnar.
Auch Margu triumphierte und stieß vor Aufregung einen Feuerstrahl aus, der Gunnars rotes Strubbelhaar versengte.
„Bist du närrisch, Margu?“, schrie der Zwerg aufgebracht, „pass gefälligst ein bisschen auf. Ich habe keine Lust, durch deine Unachtsamkeit gegrillt zu werden!“
„Ent… Entschuldigung“, stotterte der Drache und hielt sich die Pranke vor das Maul, „ich wollte dir nicht wehtun.“
„Gunnar lebt ja noch und sein Mundwerk hat offensichtlich auch keinen Schaden genommen“, mischte Hagulf sich ein und stand auf. „Jetzt lasst uns die Zwerge in Gruppen einteilen, damit sie mit den Aufräumarbeiten beginnen können.“
Gunnar und Margu erhoben sich ebenfalls. Während die beiden Zwerge flink zwischen den umgestürzten Bäumen ihrem Volk entgegeneilten, erhob sich Margu in die Luft und hielt Ausschau nach Erik. Einen Moment lang überlegte er, ob er seinem Freund entgegeneilen sollte, doch dann unterließ er es. Morgana sollte so spät wie möglich von Eriks und Ansgars Ankunft erfahren. Es würde ihr aber nicht verborgen bleiben, wenn Margu seinen Unterschlupf verließe. Dafür war der Drache einfach zu groß. Außerdem war Irrgun ständig im Felsenland unterwegs, um für seine Gebieterin zu spionieren.

Inzwischen hatten Hagulf und Gunnar die herbeieilenden Zwerge erreicht, die fröhlich singend an der Grenze zum Felsenland eingetroffen waren. Mit einem Händeklatschen gebot Hagulf Ruhe. „Hört mir zu, ihr fleißigen Bewahrer der Ordnung in Merlins Reich. Es ist nun an euch, die Wege und Schluchten ins Felsenland wieder begehbar zu machen. Räumt die Bäume zur Seite, trennt mit euren Äxten die Äste und Wurzeln von den Stämmen und schichtet das Holz zu festen Bansen auf, damit es nach Tiekgewe gebracht werden kann. Dort braucht man es zum Bau von neuen Häusern. Die Wurzeln und Äste werden die vielen Feuer speisen, die Merlin beim großen Sommerfest entzünden wird, damit sie die Nacht erhellen.“
„Und damit ihr euch nicht gegenseitig auf die Füße tretet, teilt ihr euch in kleine Gruppen zu jeweils sechs Zwergen auf“, fügte Gunnar hinzu. Bewegung und Raunen ging durch das Zwergenvolk. Dann formierten sie sich zu kleinen Gruppen, wie Gunnar es verlangt hatte und begaben sich an die Arbeit. Es war erstaunlich, mit welcher Kraft und Geschwindigkeit die kleinen Wesen zu Werke gingen. Nachdem Gunnar und Hagulf dem Treiben eine Weile zugesehen hatten, sagte der Zwergenälteste zufrieden: „Sie kommen gut voran mit der Arbeit, deshalb können wir sie ruhig eine Zeit lang allein lassen. Ich möchte meinen Sohn wiedersehen und du bist sicher neugierig auf Erik. Lass uns den beiden entgegengehen.“
„Manchmal hast du richtig tolle Ideen“, antwortete Gunnar mit einem Augenzwinkern und machte sich mit Hagulf auf den Weg.



 

 

 

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