Leseprobe:
"Heureka - Das alternative Geschichtsbuch" Lutz und Ulrike Städtler

Lässt man sich erstmal auf so was wie die Geschichte ein, dann checkt man bald, dass sie erstens bis in die Gegenwart hineinreicht und dass zweitens diese Medaille auch eine Kehrseite hat: Die jeweilige Gegenwart wirkt nämlich auch heftig und deftig in die Geschichte zurück. Oft bewältigen wir die Vergangenheit, indem wir sie überwältigen, d.h. sie uns passend zurechtbasteln:


Das Gestern, so tönen wir inhaltsschwer,
zu bewahren, das ist uns Vermächtnis!
Doch nichts verändert Vergangenes mehr
als unser bemühtes Gedächtnis.


Wenn das so ist, dann darf man sich wohl doch schon mal den dringlichen Verdacht leisten, alles könne schließlich auch ganz anders gewesen und abgelaufen sein, als wir´s in der gängigen Historiografie zu lesen bekommen.
Zum Beispiel so wie in den folgenden Kapiteln unseres echt alternativen Geschichtsbuches.

Schönen Gruß vom Steinzeit-Homo

Natürlich muss man die Historie mit der Ur- und Frühgeschichte beginnen, jenem riesigen Zeitraum der Alt-, Mittel- und Jungsteinzeit, in dem der Mensch, diese merkwürdige ‚Dornenkrone der Schöpfung‘ (Stanislaw Jerzy Lec), sich zielbewusst auf seine Hinterbeine erhebt und dadurch a) seinen Hirnkasten auf Höchstleistungen trimmt und b) seine Arthroseanfälligkeit begründet.

Noch immer gibt es ja die beiden Versionen seiner Entstehung zur Auswahl: die ordentliche, wonach der Schöpfer seinen Adam – und dessen Rippenteil namens Eva – sozusagen am Samstag, also kurz vorm Wochenende, kreiert hat, und die andere, unordentliche und zufallsgesteuerte, die ihn irgendwann als das Ergebnis experimentierlaunischer Versuche der Frau Natur aus dem Tierreich hervorkrabbeln lässt.

Pinkus (lyrisches Ich und alter ego des Verfassers) vertritt da allerdings eine deutlich abweichende Ansicht, mit der er dann auch noch dem großen Darwin und seiner Evolutionstheorie in den Weg tritt:

Veget – arischer Nachweis oder
Botanische Anthropologie


Pinkus liest´s in Niederngamme:
dass der Mensch vom Tiere stamme,
liege füglich auf der Hand
und sei zweifelsfrei erkannt,
stehe längst auf festen Füßen,
Darwin lasse herzlich grüßen. –

Doch was derart evident,
das macht Pinkus renitent;
denn solch Wissensgängelei
hält er schlicht für Tyrannei,
weil: man braucht in seinem Denken
ja nur in andre Richtung schwenken,
und dem Geiste froh entgleiten
schwupp! ganz neue Wirklichkeiten.

Und mit dem Menschen a propos,
sagt Pinkus, ist das ebenso!
Statt zu den Tieren abzuschweifen,
sollt man das Pflanzenreich durchstreifen;
denn hier, meint Pinkus, dass sie liege:
der ganzen Menschheit wahre Wiege.

Die Sprache schon zeigt ihm prägnant,
wie die Botanik uns verwandt,
und Pinkus führt darob mit Fleiß
den linguistischen Beweis:

Kirschenmund und Äpfelwangen
zieren viele hübsche Rangen,
genießerisch an Himbeerlippen
will der alte Knaster nippen,
und manch Mädchenknospe hat
ein zu spitzes Schulterblatt.

‚Gurke!‘ ruft man ganz spontan,
sieht man ein Geruchsorgan,
das als Hauptspezifikum
in der Nasenwurzel krumm.

Kinder nennt man auch Gemüse
und den Haarschwund kahle Wiese,
Stroh ist oftmals unterm Zopf,
eine Birne mancher Kopf.

Den Buckel heißt man gerne Ast,
und das Wort Stachelkaktus passt
für das Gestrüpp am Männerkinn
zum Krauten für die Partnerin.

Vor allem ein Beweis vorzüglich
ist nun für Pinkus ganz untrüglich:
der Adamsapfel in der Kehle,
dem Eingangstor zu unsrer Seele,
der ruckt und zuckt, sobald man schluckt,
sich räuspert, hustet oder spuckt.
Kein Tönchen gäb der Adam her,
wenn nicht im Hals der Apfel wär.

Dass es auch Evasäpfel gibt,
merkt jeder Adam, wenn er liebt;
mit ihnen sich vertraut zu machen,
gehört so in die Paarungssachen,
der einen Strebung zweier Kräfte:
Fortpflanzung nennt man dies Geschäfte,
das auch vom Fallobst nicht zu trennen
und an den Früchten zu erkennen.

Wirkt der Mensch auch oftmals tierisch,
Pinkus hat es nun empirisch:
seinen Ursprung hat im Ganzen
er im bunten Reich der Pflanzen!

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