Leseprobe:
Eriks Reise auf den Flügeln des Windes

Schlechte Nachrichten


Erik war erstaunt, in welch atemberaubendem Tempo die alte Lokomotive das Bahnhofsgelände hinter sich ließ und durch die Vorstadt brauste. Die letzten Häuser waren schnell aus ihrem Blickfeld entschwunden und sie fuhren nun in rasender Geschwindigkeit durch hügelige Wiesen auf den Wald zu. Für einen Moment schloss Erik seine Augen. Von der schnell am Fenster vorbeihuschenden Landschaft wurde ihm schwindlig. Als er die Augen wieder öffnete, hatte sich die Gegend verändert. Sie fuhren jetzt durch dichten Wald auf ein Felsmassiv zu, in das vor langer Zeit ein Tunnel gehauen worden war. Er gähnte ihnen als schwarzer Rachen entgegen. Noch einmal erhöhte die alte Dampflok das Tempo und Erik fragte sich, ob sie überhaupt noch auf den Schienen fuhr. Er hatte eher das Gefühl, in einem Flugzeug zu sitzen. Sie rasten in den Tunnel hinein, es wurde stockfinster um sie herum. Nur das Feuer im Kessel der Lokomotive verbreitete ein gespenstisches Licht. Ein kalter Schauer lief Erik über den Rücken und er bekam eine Gänsehaut. Der Tunnel nahm und nahm kein Ende. Raue Felswände, in dem flackernden Licht kaum zu erkennen, glitten dicht am Fenster vorbei.
„Wie lang ist dieser Tunnel“, fragte Erik.
„Ziemlich lang“, antwortete Kandar. „Er trennt die Welt der Menschen von Merlins Reich. Sieh, da vorn wird es hell. Wir haben es gleich geschafft.“
Die Dampflok hielt mitten auf einer grünen Wiese. Vögel sangen und Schmetterlinge tummelten sich in farbenprächtigen Blüten. Begeistert sprang Erik aus der Lok und schlug übermütig einen Purzelbaum. Er war wieder in Merlins Reich angekommen. Da gab es gar keinen Zweifel. Auf dieser Wiese war er letztes Jahr eingeschlafen und hatte geträumt, dass ein Schmetterling ihm eine Geschichte erzählt.
„Schön wieder bei euch zu sein!“, rief er. „Ich habe euch vermisst!“
„Wir dich auch“, gestand Gunnar.
„Ja, wir haben dich vermisst, aber deswegen hätten wir dich nicht hierher bringen dürfen“, Kandars Stimme klang sehr ernst.
„Nachdem du uns verlassen hattest, blieb es eine Zeit lang ruhig in Merlins Reich, abgesehen von ein paar kleineren Raufereien zwischen Zwergen und Kobolden, bei denen die Kobolde stets den Kürzeren zogen, war alles sehr friedlich. Die Elfen wachten über die Krone der Weisheit, die Zwerge beschützten die Elfen. Auch die drei Segensreichen wirkten wieder zum Wohle von Merlins Untertanen. Terrana ließ das Korn reifen und die Bäume reiche Frucht tragen. Ragna schützte das Land vor Blitz und Vulkanausbrüchen und Windweh hielt die Stürme im Zaum.“
„Dann ist doch alles in bester Ordnung“, unterbrach Erik Kandars Bericht und fügte hinzu: „Schläft Merlin denn immer noch?“
„Nein, er ist vor einiger Zeit erwacht und regiert sein Reich nun wieder selbst“. Das war Saikas glockenhelle Stimme. „Er hatte in seinen Träumen gesehen, was mit Morgana geschehen war und suchte die böse Zauberin im Spinnenturm auf.“
„Was, Merlin ist selbst in den Spinnenturm gegangen?“ Erik war erstaunt.



 

 

 

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