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Leseprobe:
Der Kiosk, Dorothea Christian
Es war an einem Sommerabend. Ich saß auf den Steinstufen vor der Haustür. Quietschend fuhren die Straßenbahnen in die Kurve. Die Autos mit den drei Rädern und der spitzen Schnauze tuckerten vorbei. Plötzlich sah ich, wie sich an dem Kiosk eine versteckte, von mir nie bemerkte Tür öffnete, eine ganz gewöhnliche Frau mit einer Einkaufstasche heraustrat und die Tür abschloss. Ich war erstaunt, stand dann schnell auf. Der Frau wollte ich nicht begegnen. Mein Kiosk hatte kein Gesicht mehr.
Die Tür fiel zu dann war sie weg. Einen Moment lang dachte ich, das sei ein Scherz. Hatte sie wirklich gesagt, es sei aus? Nun also dann. Was wird sie wohl jetzt machen? Wahrscheinlich nimmt sie ihren Koffer und fährt zu ihrer Mutter; aber nein, bloß ein Klischee, nur ein Gedanke. Ich stelle mir vor, wie sie ein Taxi ruft und sich zum Flughafen fahren lässt. Sie steigt ein, lächelt dem Taxifahrer huldvoll zu, nachdem er ihr Gepäck im Kofferraum verstaut hat. Dann holt sie den kleinen goldenen Taschenspiegel heraus, den sie letztes Jahr auf dem Flohmarkt gekauft hat. Sie sieht hinein, presst die Lippen aufeinander, Kontrolle ist alles. Das Taxi hält. Sie bezahlt, steigt aus, geht. Auch hier wird jemand verlassen; ich ertappe mich bei düsteren Gedanken weiter. Sie geht direkt auf einen Schalter zu. Surreal Airlines. Was macht sie da? Sie zückt die Kreditkarte, zahlt will wirklich weg: schnell kneife ich kurz die Augen zu, aber das Bild ist immer noch da. Sie checkt ein, noch schnell ein Buch und Kekse aus dem Duty Free. Dann durch die Kontrolle, passiert. Nein, ich schreie in meinem Wohnzimmer, die Verzweiflung packt mich, die Panik steigert sich. Ruhe ist keine mehr; aber sie sie sitzt einfach da, die Beine übereinander geschlagen, liest das Buch. Dann der Aufruf. Sie geht. Einfach so. Sie blickt nicht zurück, nicht durch die Glasscheibe, nicht den Gang entlang, nicht zu mir, der ich immer noch untätig hier herum sitze. Sie geht. Ich will mit und kann nicht. Diese Reise ohne mich, Ziel unbekannt: Zukunft kein Platz mehr für mich. Langsam, stehe ich auf und beginne zu begreifen.
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