|
||||||||||
Leseprobe:
Dicht über der Atmosphäre der blühenden Welt materialisierten
die kleinen, etwa zwölf Meter langen Raumflugkörper. Programmgemäß
warfen die Bordcomputer die ausgebrannten Transmitterstufen ab, starteten
die Impulstriebwerke und beschleunigten auf Durchbruchgeschwindigkeit.
Die Primär- und Sekundärziele wurden über die Zielverfolgungssysteme
der Mehrfachsuchköpfe der Flugkörper anvisiert und danach angesteuert.
Immer mehr dieser torpedoförmigen Miniraumer tauchten aus dem Hyperraum
auf und schossen als winzige Lichtpünktchen auf die Oberfläche
des Planeten zu. Unaufhaltsam rasten sie ihren Bestimmungsorten entgegen,
den millionenfachen Tod in sich tragend. Kein Frühwarnsystem war
in der Lage, sie rechtzeitig zu erfassen, geschweige denn aufzuhalten.
Für die Weitbereichsscanner, die unablässig den Raum nach feindlichen
Objekten absuchten, bildeten die Flugkörper wegen ihrer Größe
und ihrer strahlenabsorbierenden Hülle nicht das geringste Ziel.
Außerdem tauchten sie zu nahe am eigenen Gebiet aus dem Überraum
auf. Selbst die präzisen Zielsucher der Energiewerfer konnten sie
nicht mehr orten, da sie hinter den Abwehrlinien der Planetensicherung
materialisierten. Von niemandem erwartet und damit für alle Lebewesen
unvorbereitet, traf das Verderben ein. Als der erste Glutball den Einschlag
eines der Geschosse markierte, war es für jegliche Gegenmaßnahmen
zu spät. Wehrlos waren die Geschöpfe des Planeten dem Tod aus
dem All ausgeliefert. Gewaltige Feuerkugeln flammten auf und verbrannten
die Städte und Industriezentren. In der Lenkzentrale des inneren
Sicherungsbereichs, auf dem zweiten Mond der bewohnten Welt, stand Sektorenkommandant
Vorg Tabor fassungslos und leichenblass vor den Holographen-Schirmen des
Kommandopultes. Seine verantwortungsvolle Aufgabe bedeutete die Koordination
der Feuerleitgeräte des direkten Systemschutzes um CARAN, doch gegen
solch eine Überraschungsaktion war er vollkommenmachtlos. Rein zufällig
hatte er einen der winzigen Flugkörper erfasst und, neugierig geworden,
dessen Bahnkurve ins Ziel verfolgt. Die aufgrellende Flammenkugel ließ
ihn regelrecht vor Schreck erstarren. Unfähig zu einer Bewegung,
registrierte er aus den Augenwinkeln den nächsten Feuerball. Der
große Panorama-Holograph an der Wand zeigte nur einige winzige Lichtpunkte,
aber er stellte auf den mannigfaltigen Bildschirmen seines Kommandopultes
immer neue Explosionen fest. Bald gab er auf, sie zu zählen und beobachtete
hilflos das Ende der Heimatwelt. In den Ohren dröhnten die Schreie
der Verletzten und das schmerzliche Stöhnen der Sterbenden, das über
die noch intakten Telemetriekanäle aus den Lautsprechern seines Pultes
drang.Gleichzeitig erreichten die Bilder der Aufklärungssatelliten
aus dem SELTOS-System die Steuerungszentrale auf LORUS, dem äußeren
und kleineren der beiden Monde CARANs. Abschuss der INTRO-Gefechtsköpfe,
Kommandant. Gleich ist es vorbei, meldete eine vor Erregung heisere
Stimme von den Überwachungskonsolen weiter vorn. Anscheinend hatte
der Mann dort noch nichts von der schrecklichen Katastrophe mitbekommen,
die die Heimatwelt traf. Einer der Holographen-Schirme seiner Konsole
zeigte die feindliche Welt im Nachbarsystem, auf einem anderen verglühten
im energetischen Trommelfeuer der gegnerischen Abwehrbatterien die letzten
Kampfschiffe CARANs. Trotzdem leuchteten die Augen des Schmächtigen
und neben den hektischen Bewegungen zeigte das rote Gesicht die Freude
über den gelungenen Angriff. Das risikoreiche Manöver bekundete
einen vollen Erfolg, obwohl die Caraner, genau wie deren Gegner, alle
Kampfeinheiten verloren hatten. In diesem Augenblick erreichten die Atombrand
auslösenden Sprengköpfe den anvisierten Feindplaneten und explodierten
auf dessen Oberfläche. Die Millionen Grad heißen, langsam abbrennenden
Glutkugeln schmolzen sich durch die Kruste in den Kern. Auf den Kontinenten
erschienen an mehreren Stellen kleine kirschrote Lichtpunkte; unter Druck
austretendes Magma. Exakt berechnet erfolgte gleich darauf die Umwandlung
der schweren Elemente. Unterirdisch tobten nunmehr ungebändigte chemische
Reaktionen, überirdisch zuckten fast lichtschnelle, schwefelgelbe
Blitze durch die Atmosphäre; ausgehend von den Glutherden. Binnen
Sekundenbruchteilen verbanden sie die einzelnen Einschlagstellen. Noch
immer bemerkte der Caraner an seiner Überwachungskonsole nichts von
der fürchterlichen Vernichtungsaktion, die den eigenen Heimatplaneten
betroffen hatte. Wie gebannt hingen seine Augen an dem Geschehen auf den
Bildschirmen vor ihm. Jaaaah! Erledigt! Endlich haben wir sie erledigt!
Triumphierend gellte seine Stimme durch die Zentrale. Er hielt die rechte
Faust geballt und schüttelte sie in Richtung des großen Holographen-Schirms
an der Seitenwand, der den Vernichtungsangriff dokumentierte. SELTOS
explodiert. Wir haben gesiegt! Orangerotes Flimmern brandete über
die Feindwelt. Zuerst tauchte es an den kontinentalen Flammpunkten auf.
Es pflanzte sich mittels die Blitze fort und umfing rasend schnell den
gesamten Planeten. Innerhalb kürzester Zeit, nur wenige Sekunden
dauerte der Vorgang, strahlte alles in einem unwirklich erscheinenden
Licht. Eine grelle Flamme zuckte übergangslos hoch und unmittelbar
darauf erfolgte eine gigantische Detonation in sämtlichen Farben
des Spektrums. Glutschwaden wogten aus dem Innern des zerberstenden Planeten
und jagten unterschiedlich große Trümmerstücke durch den
Raum. Einige von ihnen zerfetzten die letzten Rettungsboote der Seltosianer.
Im Hintergrund glühten die Gaswolken der explodierten Raumschiffe
beider Völker. Die Übertragungskameras erloschen. Auf den Überwachungsschirmen
flimmerte bloß noch das grauweiße Rauschen der Raumstrahlung.
Mit hochrotem Gesicht drehte der Schmächtige seinen Sessel herum
und blickte zum Kommandantenpult hinüber. Dieser stand schräg
vor dem riesigen Wandbildschirm, der die unmittelbare Umgebung CARANs
mit dem Planeten im Mittelpunkt darstellte. Überall auf der Oberfläche
waren jetzt Feuerkugeln und dickegrauschwarz wogende Wolkenpilze zu erkennen.
Die eben noch freudig strahlenden Gesichtszüge verwandelten sich
in eine Grimasse puren Entsetzens. Unwillkürlich verkrallten sich
die Hände des Mannes in den Armlehnen. Es riss ihn von der Sitzfläche;
die Augen weit offen.Nein, stöhnte er und sank erschüttert
zurück. Nicht das! Großer Allgeist, das ist doch nicht
möglich! Wie ein Ertrinkender schnappte er nach Luft. Kommandant,
sagen Sie, dass das nicht wahr ist! Schrill und verzweifelt klang
es. Erst jetzt kam Vorg Tabor wieder zu sich. Beinahe reglos hatte er
auf seine Schirme gestarrt und die verstümmelten Funksprüche,
genauso wie die Umgebung der Lenkzentrale, lediglich im Unterbewusstsein
wahrgenommen. Doch nun herrschte Totenstille im Äther. Nur noch atmosphärisches
Knacken dranggelegentlich aus den Lautsprechern. In der Zentrale war es
still geworden. Jeder hielt den Atem an und nahm voll Entsetzen das schreckliche
Geschehen auf, das der Panorama-Holograph überdeutlich darstellte.Aus
und vorbei, hämmerte es in seinem Gehirn. Endgültig
vorbei! Sie haben uns ebenso vernichtet, wie wir sie. Verdammte Brut!Tief
im Innern empfand er einen wütenden, zerreißenden Schmerz.
Tränen stiegen ihm in die Augen und machten ihn einen Moment lang
blind. Heftig wischte er sich über das samtbraune Gesicht. Mehrmals
holte er tief Luft und unterdrückte gewaltsam den Gefühlssturm.
Endlich hatte er sich wieder unter Kontrolle und richtete das Augenmerk
erneut auf die Bildschirme des Kontrollplatzes. Die Videokameras der Überwachungssatelliten
CARANs boten das Grauen in allen Einzelheiten auf dem Drei-D-Frontbildschirm
dar. Von den Explosionen ausgelöste Feuerstürme tobten über
die Kontinente und Ozeane. Schmutzig braune Wolken, gemischt mit feurigen
Turbulenzen, wirbelten durch sämtliche Regionen und hinterließen
brennende Städte und chaotische Trümmerlandschaften. Ab und
zu blitzten dazwischen grelle Glutkugeln auf. Gewaltige Atompilze strebten
überall dem Himmel entgegen. Eins der Hologramme zeigte die Oberfläche
des ersten Mondes. Auch dort kochten glühende Einschlagkrater. Die
Weitbereich-Scanner ermittelten enorme Strahlenwerte. Schrill pfiffen
die akustischen Warner. Dazuflackerten die Anzeigen in grellem Rot. Der
gesamte Bereich, innerer Mond und Heimatplanet, strahlte gleich einer
radioaktiven Hölle. Der letzte Überraschungsschlag des Feindes
hatte ganze Arbeit geleistet. Mit brennenden Augen starrte Tabor auf das
Chaos und registrierte nebenbei die Datendisplays. Dort unten lebt
niemand mehr, schoss es ihm durch den Kopf. Sie sind tot:
meine Familie, die Freunde. Alle sind tot, innerhalb von Sekunden gestorben!Trauer
und Leid, fürchterliche Wut und zerreißender Schmerz tobten
in ihm. Weiterhin erfüllte ihn das erdrückende Gefühl der
Verantwortung für die hier noch lebenden Menschen, gemischt mit den
Selbstvorwürfen versagt zu haben. Alles stürmte innerhalb einer
Sekunde auf ihn ein und nahm ihm die Luft. Er spürte einen dicken
Kloß im Hals und glaubte zu ersticken. Mehr konnte kaum jemand ertragen.
Es war zu viel! Irgendwo in ihm zerbrach etwas. Mit einem Mal war alles
vorbei. Das Gefühl zu ersticken und die Trauer. Nur der bittere Geschmack
im Mund blieb und die taube Leere im Innern. Aus dem einstmals freundlichen
und gefühlsbetonten Sektorenkommandanten wurde ein eiskalter, gnadenloser
Mann. Urplötzlich wich die atemlose Stille einem tumultartigen Geräuschorkan.
Geschriene Wortfetzen und heftiges Schluchzen hämmerten auf seine
Ohren. Irgendjemand jammerte laut vor sich hin. Ruckartig fuhr er den
Sessel herum und sprang auf. Mit einem Blick erfasste er die Situation.
Unbewusst straffte er seine hochgewachsene, athletische Gestalt und er
strich sich über den Brustteil des schmucklosen, blassblauen Overalls.
Ruhe, Kombattanten!, peitschte seine volltönende Stimme
durch die Zentrale. Es ist vorbei. Nehmt euch zusammen! Niemand
beachtete ihn. Alle Anwesenden waren mit ihren Problemen und Nöten
beschäftigt. Wie eine Stahlfeder spannte sich sein Körper und
er stemmte die Fäuste in die Hüften. Dabei spreizte er etwas
die Beine. Unter buschigen, schwarzen Brauen lohten die dunklen Augen.
Das gut geschnittene, energische Gesicht bekam einen erbarmungslosen Zug.
Ruhe!, brüllte er erneut. Wieder beachtete ihn niemand.Seine
rechte Hand tastete zur Hüfte. Er zog den schweren Blaster, den jeder
Offizier tragen musste, aus dem offenen Halfter und richtete die Mündung
zur hohen, gewölbten Decke. Fauchend löste sich der orangerote
Energiestrahl und prallte funkensprühend gegen das Metall. Geisterhaft
flackerte das reflektierte Licht über die Konsolen. Augenblicklich
herrschte erschrockene Stille. Nur leises Schluchzen war hier und da zu
vernehmen. Alle Augen richteten sich weit aufgerissen auf den Kommandanten.
Die Strahlenpistole noch in der erhobenen Hand gab er seine Anweisungen:
Zuhören, Kombattanten! Unser Gegner hat mit gleicher
Münze zurückgezahlt. Genauso wie wir ihn vernichtet haben, wurde
unser Heimatplanet eliminiert. Somit stehen wir ganz allein da. Unser
Auftrag ist es, das Überleben unserer Art zusichern. Jeder von euch
kennt seine Aufgabe und wird sie weiter durchführen, verstanden?
Wozu das alles?, schluchzte eine weibliche Stimme. Alle
sind tot und wir haben auch keine Chance.Der Allgeist hat
uns gestraft, flüsterte jemand tonlos im Hintergrund. Wir
sind verloren. Tabors Lippen wurden zu einem Strich. Die Kiefermuskeln
mahlten. Mit einer heftigen Bewegung nahm er die Waffe herunter und stopfte
sie ins Halfter. Nein, wir sind nicht verloren. Noch leben wir,
also gibt es Hoffnung.
|
||||||||||