Leseprobe:
Niemand sah mich zwischen den Blüten
Zaubergarten Anthologie (Hrsg. Dorothea Christian)
Mein Zaubergarten (Dorothea Christian)
In der Dämmerung zwischen Tag und Traum betrete ich ihn.
Da steht die schlanke Wegwarte und schaut mit blauem Auge sehnsüchtig
in die Ferne; sie wartet auf ihren Liebsten; zärtlich streiche ich
über ihr grünes Kleid. Vorbei an dem dunklen Zauberer Tollkirsche,
imposant in seiner Gestalt aber gefährlich.
Großmutters lilaroter Blutwegerich stillt blutende Wunden und Herzen
in ihrer Güte.
In der Ecke hocken die Frauenmanteljungfern in leuchtenden grünen
Blusen, sie sammeln den Tau auf den Blättern und lassen ihn wie Diamanten
in der Sonne funkeln.
Die Wiese voller Gänseblümchenkinder, die Mützen weiß
mit einem rosa Rand.
Kennst du noch den Duft der Gänseblümchen aus deiner Kindheit?
da waren wir der Erde noch so nahe.
Ein Zwerg zwischen den Büschen zeigt auf den Klee in der Wiese: Machen
wir ein Glücksspiel?
wer ein vierblättriges findet?
Und was kann ich gewinnen?
Pfennigkraut!
Und was kann ich damit machen?
Listig zwinkert es mir zu: Es anschauen.
Auf der anderen Seite der Wiese stehen viele kleine Krankenschwestern
in ihrem weißen Kleidchen und der gelben Haube.
Wer seid ihr denn?
Camilla, Camilla, kichern sie, wir heilen verletzte
Erde und verletzte Menschen.
Die etwas größeren Ringelblumen, in verschiedene Gelbtöne
gekleidet, fallen ein: Wir können das auch jeder auf
seine Weise.
Nun betrete ich den Kräutergarten. Da herrscht ein emsiges Treiben.
Herr Lauch, aufrecht mit weißer Kochmütze, die im Zipfel grün
herunterfällt, scheint das Kommando zu haben.
Frau Petersilie mit breitblättriger Schürze steht neben Herrn
Dill, der für die feine Küche zuständig ist.
Der dicke Knoblauch rührt in jedem Topf aber bitte nicht im
Pudding!
Frau Fenchel kocht ein Krankensüppchen.
Der Leinen in seinem blauen Kittel schaut vorbei: Noch ein paar
Samenkörner bei Verdauungs-beschwerden oder etwas Öl?
Ich bin auf dem Weg zur Spinnerei.
Kresse, gelborange, wuchert vor der Küche, bereit, auf den Salat
zu springen oder ihn mit ihren Blüten zu zieren.
Die grüne Brennnessel wuchert besitzergreifend. Sie hat viel zu bieten:
Vitamine für den Salat, Tee zur Blutreinigung. Ich brenne das
Rheuma weg und meine Wurzeln mit den weißen kleinen Kullerchen bringen
Ammoniak in die Erde ich bin sozusagen von Kopf bis Fuß auf
Gesundheit eingestellt.
Die Zwiebel ruft: Wer will mich entblättern? Es
scheint kein Interesse zu geben sie stinkt. Na ja, denkt sie, beim
ersten Wespenstich kommen sie schon gerannt.
Soviel Trubel, ich verlasse den Küchengarten und setze mich auf die
Bank neben den Brunnen.
Max Kürbis liegt faul neben dem Kompost und sein gelber Bauch wird
immer dicker.
Vor mir der violette Schmetterlingsstrauch, Palucca der Gärten; voller
Anmut tanzt sie mit Pfauenauge, Admiral, Zitronenfalter und all den bunten
Gesellen.
Der Duft der Blumenkönigin Gloria Dei, betörend
wie schön, dass Dornen Rosen tragen.
Noch ein Mal leuchtet der Rotlack auf, Veilchen nicken und der Rittersporn
steht Spalier.
Nun wallen die Nebelfrauen aus dem Tal und decken mit ihrem grauen Schleier
den Zaubergarten zu.
Sommerregen (Dietrich W. Grobe)
Ein grauer Himmel
Sommerregen
fällt leis herab
und hüllt das Land,
die Schnecken nehmen
auf den Wegen,
die Feuchte nutzend,
überhand!
Ein Blütenblatt
der Kletterrose
sinkt leise
in den Wiesengrund,
als wolle es,
das Namenlose,
beenden
den Geschwisterbund.
Die Amsel flötet
leise Lieder,
ganz nah
im hohen Fichtenbaum
vom Nachbargarten
klingt es wieder
ein Sommerregenzaubertraum!
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