Heckenbeck und drum herum

"Ich sehe was, was du nicht siehst..." Ein beliebtes Ratespiel zu Kinderzeiten, da noch nicht alle Sinne an Bildschirm und Handy hingen. Würde die Bildhauerin und Malerin Dietlind Petzold ihren Heckenbecker Mitbürgern sagen: "Ich sehe was, was Ihr nicht seht. Das steht aufrecht und stramm und hat einen kunstvoll gekerbten Kopf. Es hat allerlei Brüder und Verwandte, eine stattliche Grenzwehr..." - ob sie wohl darauf kämen, dass das potente Völkchen der Zaunpfähle und Gartentürpfosten gemeint sei? Als Handwerk und Phantasie noch zusammengehörten, gab der Steinmetz jedem von ihnen sein eigenes Gesicht.

Die Zeichnerin sieht so manches, was Vorübergehende nicht auf Anhieb wahrnehmen: schönheitskonkurrierende Gartenzwerge, bedachte friedhöfliche Geräteordnung, heckenrosiges Car-Sharing. Die beschwingte Geometrie naher Ruhebänke und ferner Windräder. Unkrautvertilgende Blicke über Nachbars Gartenhecke entgehen ihr ebenso wenig wie der erstaunliche Wandel des Gemeinsinns vor und nach der Sperrmüllabfuhr. Dankbarste Motivquelle sind die Heckenbecker Hunde: läufige, skaterziehende, glückspendende, rentensichernde, regelbeschmutzende...

Unter den wintervorsorgenden, energiesparend hausbauenden und akrobatisch dachdeckenden Dorfbewohnern finden sich auch schräge Vögel - kunstübende, bauchtanzende und musikbeflissene, die dem erhabensten Toten der Gemeinde, dem (männer)chorbewegten Tonsetzer Albert Methfessel, die schuldige Reverenz erweisen.

Einiges in und um Heckenbeck zwischen lieblichen Hügelwellen bei Bad Gandersheim erschließt sich erst dem zweiten Gesicht: eine Gerüchteversammlung im dürren Geäst, eine mythische Spalte im alten Stamm, ein Galgenbaum...

Ob die Beobachterin das Tierische menschlich, das Menschliche tierisch oder das Pflanzliche metaphysisch sieht - Zeichnung und Bildtitel gehen jedes Mal eine gewitzte Verbindung ein, die dem Motiv auf den Grund geht.

Heckenbeck: ein Gleichnis. Das Dorf: die Welt im Taschenspiegel

Lutz Lesle

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Leseprobe

 

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Dietlind Petzold
2007
72 Seiten, Hc.,
Preis: 15,00 Euro
Fabuloso Verlag
ISBN Nr. 978-3-935912-29-7