Konsumtempel

Vor Jahren hatten wir die Idee mehrere Kathedralen der Hochgotik in Frankreich zu besichtigen. Wir waren ergriffen von der Baukunst und der Atmosphäre in den heiligen Hallen.

Damals kauften wir unsere Lebensmittel zum Teil noch in „Krämerläden“ oder auf Märkten. Wir spürten aber schon die Tendenz zu den Supermärkten.
In diesem Jahr war es für uns Reisende fast unmöglich in kleineren Läden einzukaufen. Wir hätten sie erst lange suchen müssen und einen Wochenmarkt haben wir leider nur einen einzigen in Avignon gesehen. Leider gab es dort aber keine Parkmöglichkeit. So fuhren wir weiter zum nächsten Supermarkt.
Schon auf dem dazugehörenden Parkplatz, vor der mit Säulen flankierten Eingangshalle, überkam mich ein Gefühl von Kleinheit, wie ich es in den Kathedralen gespürt hatte. In der Eingangshalle war ich erst einmal geschockt.
Mehr als 30 Kassen, ein riesiges Angebot, weitläufige Gänge, bestimmt mehr als tausend Menschen beim Einkaufen.
Vor den Kassen in Abständen von 30 Metern Ruheinseln mit Palmen und Springbrunnen. Es herrschte ein fast andächtiges Schweigen. Nur ein leises Summen und Klappern war zu hören. Kaum einer sprach ein lautes Wort.
Am Ende der Vorhalle sang ein Sänger Balladen zwischen den Caféhaustischen.
Mein Eindruck: Geheiligte Hallen, voller Andacht. Menschen dienen dem Gott Mammon.
Jeder eilte, aber hetzte nicht. Nirgendwo Hektik. Beim Fleischer hatten wir nicht gesehn, dass wir eine Nummer ziehen sollten, so wurden wir eine ganze Weile übergangen. Es machte uns aber auch niemand darauf aufmerksam.
Na, ja wir haben unser Fleisch bekommen, nachdem wir mit unserer dann gezogenen Nummer 13 an der Reihe waren.

Beim Fischhändler dachte ich, nun habe ich das Prinzip begriffen, doch dort war es dann nicht nötig, weil es die Moules ohne Nummer gab.

Das Angebot an Waren machte uns schwindelig. Den großen Einkaufswagen schoben wir fast leer an die Kasse, im Gegensatz zu den anderen Einkäufern. Wer den Wagen so recht voll hatte, sah glücklich aus.
An der Kasse wurde kein unnötiges Wort gesagt. Die Damen grüßten, sagten den Preis, nahmen die Kreditkarten entgegen, bedankten sich und verabschiedeten die Kunden – alles in einem kühlen sachlichen unpersönlichen Ton. Und dass nicht nur bei uns Ausländern, sondern bei allen Kunden.
Ich frequentierte auch die Sanitäranlage. Sie war so fein und vornehm wie beim Adlon Hotel in Berlin.
Vor der Tür überlegten wir noch, ob wir bei der angeschlossenen Tankstelle auch tanken, aber das haben wir uns verkniffen. Wir waren irgendwie mürbe.

Wir hoffen, dass wir, wenn wir vielleicht in ein paar Jahren hier wieder einkaufen sollten, wir nicht ausschließlich von Robotern bedient werden.

zurück