Rezension
Halberstädter Volksstimme Zeitung für Sachsen-Anhalt
Gudrun Strüber brachte Lebensgeschichte ihres Vaters zu Papier /

Erinnerungen eines U-Boot-Fahrers
Fernweh führte Hessener in den Krieg

von Mario Heinecke
Hessen. Dass aus der Gegend rund um den Fallstein Bücher erscheinen, ist schon relativ selten. Ganz einmalig ist das Buch "Blaue Jungs! Grüne Jungs? Ein U-Boot-Fahrer erinnert sich" von Gudrun Strüber. Es beschreibt die wahre Geschichte des Vaters der Autorin, Fritz Wagenführ, 1920 in Hessen geboren. Wagenführ war im Zweiten Weltkrieg U-Boot-Fahrer. Er bat nun seine Tochter, die Erinnerungen aufzuschreiben.

Fritz Wagenführ gehörte zu den glücklichen U-Boot-Fahrern, die den Krieg überlebt haben. Denn fast zwei Drittel der über 41 000 deutschen U-Boot-Fahrer fielen. Nur die japanischen Kamikaze-Flieger hatten in diesem Krieg eine noch höhere Verlustrate. Dies schreibt in Strübers Buch der Münchener Dr. Walter Kiefl. Daraus ist ersichtlich, trotz der persönlichen Erinnerungen handelt es sich hier um keine Erzählung, auch kein Heldenepos, sondern um eine Dokumentation. Dazu hat die Autorin auch dokumentarische Texte der US-Marine-Abteilung, Wehrmachtsberichte sowie Kommentare von U-Boot-Kameraden einfließen lassen. Schließlich wurden Briefe der Ehefrau von Fritz Wagenführ an ihn eingefügt.

Fernweh führte Fritz Wagenführ, der beim Hessener Schlossermeister Wilhelm Meldau in der Lehre war, 1938 als Freiwilligen zur Kriegsmarine. Bis 1940 besuchte er die Marineschule im heutigen Bremerhaven, vom bereits begonnenen Krieg bekam er nichts mit. Nach weiterer Arbeit und Ausbildung meldete sich der Unteroffizier am 1. Februar 1943 zum Kriegsdienst. Sein U-Boot 604 lag an der französischen Atlantikküste. Das Boot hatte zu dem Zeitpunkt schon drei Feindfahrten hinter sich, als er zur Mannschaft kam. "Der Aufenthalt an Bord war unheimlich beengt. Die Offiziere hatten jeder eine Koje, die Unteroffiziere je zwei Mann eine Koje, die Mannschaft schlief in Hängematten im vorderen Torpedoraum über den Torpedos. Innen herrschte meistens eine Temperatur so um die 40 Grad", wird die Situation an Bord beschrieben.

Die sechste Fahrt von U 604 wurde auch die letzte. Nach einem Luftangriff wurde es schwer beschädigt. Geschildert wird der Tod zweier Kameraden und ihr Begräbnis auf See, von dem die Besatzung sehr ergriffen war. Die Überlebenden wurden auf zwei andere U-Boote aufgeteilt. Dabei musste Wagenführ wegen eines Luftangriffes über zwei Stunden im Wasser schwimmen.

Auch in diesem anderen U-Boot gehörte Fritz Wagenführ zu den glücklichen Überlebenden. Nach einem Beschuss wurde im Boot hochgiftiges Chlorgas (Salzsäuregas) freigesetzt. Wagenführ konnte sich gerade noch rechtzeitig aus dem Turmluk befreien. Bis zur Rettung durch US-Flugzeugträger mussten die Überlebenden über sechs Stunden schwimmen. Nur sieben Mann aus dem Boot 604 haben letztendlich das Unglück überstanden.

In dem Buch von Gudrun Strüber werden auch die Stationen der folgenden Kriegsgefangenschaft von 1943 bis 1947 geschildert. Die Briefe seiner Ehefrau an den jungen Fritz in ein Tagebuch geben ihre Hoffnung wieder. Zunächst, dass der lange Vermisste doch überlebt hat, und später, dass er bald nach Hause kommen würde. Doch Jahr um Jahr verging bis zum glücklichen Wiedersehen im September 1947.

"Das Buch sollte die Frage beantworten: Warum habt ihr mitgemacht?", schreibt Autorin Gudrun Strüber selbst. "Es gibt diese Antwort nicht, sondern jeder Leser kann sich nach der Lektüre der aufgeschriebenen Berichte seine eigenen Gedanken machen."

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