Leseprobe:
Die Wächter des Kelches von Arx (Sarina M. Lesinski)
Die Sonne brannte immer heißer und machte den Abenteurern zusätzlich
zu schaffen.
"Ich brauche eine kleine Pause", sagte Philipp und ließ
sich auf einem Baumstamm nieder.
"Was, jetzt schon?", Fernando sah auf seine Armbanduhr. "Wir
sind erst seit gut einer Stunde unterwegs und haben gerade mal ein Viertel
der Strecke geschafft." Er setzte sich neben seinen Freund. Philipp
war das Hochgebirge nicht gewöhnt, da würde er wohl Geduld haben
müssen. Andererseits war es schon nach zehn und Fernando wollte unbedingt
bis zwölf Uhr den Aufstieg geschafft haben, denn dann würde
die Sonne unerträglich werden. Während der größten
Hitze wollte er mit Philipp das kühle alte Gemäuer des Kastells
erkunden, ehe sie am Spätnachmittag wieder hinuntersteigen würden.
"Na schön", gab Fernando seufzend nach. "Aber nur
fünf Minuten."
Philipp war tatsächlich sehr erschöpft. Die Pyrenäen waren
doch etwas anderes als die sanften Hügel seiner heimatlichen Umgebung.
Er hatte sich den Aufstieg einfacher vorgestellt. Allerdings schien nach
der Kletterei durch Erosionsschluchten und Geröllhalden nun ein gut
gangbares Stück Weg vor ihnen zu liegen. Und so stiegen sie nach
der kleinen Verschnaufpause etwa eine Stunde den Zickzackweg bergan, ohne
auf irgendwelche Hindernisse zu stoßen, bis Fernando den Weg plötzlich
verließ und auf einem schräg nach oben verlaufenden Trampelpfad
weiterging.
"Ist das eine Abkürzung?", fragte Philipp.
"Wie man´s nimmt", antwortete Fernando. "Der alte
Weg endet an der Kanzelschlucht, weil die Holzbrücke hinüber
zum Hochplateau nicht mehr existiert. Also müssen wir bis zur Kanzel
aufsteigen, um von dort über die Predigerbrücke auf das Plateau
zu kommen."
"Und die Brücke gibt es noch?", fragte Philipp zögernd.
Ihm schwirrte der Kopf. Pico Lágrima, Kanzelschlucht, Predigerbrücke,
Kreuzfahrerkastell und dazu die unerbittliche Sonne. Sein T-Shirt war
schweißnass, ebenso seine kurze Jeans. Er fand es sehr beruhigend,
dass sein Freund, der hier zu Hause war, ebenso schwitzte wie er. Fernando
stieg langsam weiter, versicherte, dass es die Predigerbrücke noch
gäbe und versprach, oben in den kühlen Mauern des Kastells alles
zu erklären. Der schmale Pfad erwies sich als sehr steil und die
beiden hatten alle Mühe nicht abzurutschen. Endlich waren sie oben.
Die Kanzel hatte die gleiche Höhe wie das gegenüberliegende
Plateau. Das Kastell war jetzt zum Greifen nah, nur noch durch eine gut
fünfzig Meter tiefe Felsspalte, die Kanzelschlucht, von den jungen
Abenteurern getrennt. Über diese Schlucht führte eine Hängebrücke,
die alles andere als vertrauenerweckend aussah. Die dicken Seile schienen
noch in gutem Zustand zu sein, aber den Holzplanken hatten Wind und Wetter
ziemlich zugesetzt.
"Das ist nicht dein Ernst, oder?", fragte Philipp und Fer-nando
lachte: "Es ist einfacher, als du denkst. Du darfst nur nicht nach
unten sehen." Mit diesen Worten ging der junge Spanier beherzt voran.
Als er auf der anderen Seite angekommen war, winkte er Philipp zu, der
zaghaft einen Fuß auf die Brücke setzte. Die Konstruktion schwankte
beängstigend.
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