Leseprobe:
Von solchen und anderen Menschen (Sonia Schröder)

Du oder ich?

Alle Frauen gingen am Freitagnachmittag einkaufen, fürs Wochenende. Das war im Dorf schon immer so gewesen. Hoffnung auf Begegnungen. Ein Schwatz beim Bäcker, Schlachter oder auf der Straße. Neuigkeiten, hast du´s auch schon gehört? Kommst du morgen zur Versammlung?

Noch eine Tafel Schokolade, bitte! Jede Woche eine Tafel für uns alle, wir sind sieben zu Hause. Zwei Pfund Zucker, vier Pfund Mehl, 20 Eier und Margarine. Morgen muss ich backen, zwei Kuchen, die Großeltern gehören auch zu uns. Ich packe meine beiden Taschen voll, an jeder Hand eine; ich habe starke Arme vom Holzhacken, Wasserschleppen und vom Umgraben für die Kartoffeln. Zwei starke Arme habe ich.
Else kommt mir entgegen, ich habe sie zwei Wochen nicht gesehen. Hinter mir höre ich die Kuhglocken, der Hirt treibt die Herde heim. Nach jedem Hauseingang wird sie um ein, zwei oder drei Kühe kleiner. Jede biegt richtig ab. Unsere beiden, Trine und Berta, sind immer dabei.
Else und ich überlassen der Kuhherde die Dorfstraße. Wir bleiben auf dem Bürgersteig stehen und schwatzen. Ich stelle meine schweren Taschen ab.
Was macht unsere Berta denn da? Sie müht sich auf den Bürgersteig. Wir reden weiter über dies und das. Berta kommt näher, wir erwarten ihr respektvolles Ausweichen. Aber sie denkt an etwas ganz anderes. Wo ich gehe, da gehe ich! Das denkt sie! Else rettet sich mit einem Schritt auf die Straße, Berta drängt mich dicht an den Zaun heran. Ich hatte bis zur letzten Sekunde auf ihre Einsicht gehofft. Meine vollen Taschen fallen um. Berta drückt mich mit ihrem schweren Leib an den Staketenzaun. Er knackt bedrohlich, meine starken Arme sind nicht stark genug. Ob mich Berta überhaupt erkannt hat? Dann falle ich mit einem Stück Zaun nach hinten, wir reißen die Hecke ein. Berta tut so, als sei nichts gewesen, sie setzt mit gleichmütig wiegendem Gang ihren Weg auf dem Bürgersteig fort. Else hilft mir auf, die Margarine zerquetscht, Mehl und Zucker aufgerissen; nun ja.

Seitdem strafe ich Berta mit Verachtung, ihre Versorgung hat die Großmutter übernommen. Der Tag wird kommen, todsicher, an dem sie geschlachtet wird, dann werde ich keinen Happen von ihr essen, nicht mal probieren werde ich ihr frisches Mett; von der nicht!

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