Leseprobe:
Das Haus im Tümpel (Eva Prüße)

Zehn Jahre nach Kriegsende, 1955, waren in Frankfurt immer noch Trümmer und Ruinen zu finden. Aber Wirtschaft und große, tiefgreifende Baumaßnahmen kamen voran und überall verbreitete sich verhaltener Optimismus.

Louisa und Paul Remlinghaus waren nun seit drei Jahren verheiratet. Sie lebten in einer kleinen Wohnung in der Nähe des Bahnhofes. Irgendwie liebten sie ihre ersten gemeinsamen vier Wände, obwohl die Räume in einem ziemlich desolaten Zustand waren. Die Möbel, die sie durch den Krieg retten konnten, hatten einige Narben davongetragen und von den Tapeten war auch nicht allzu viel übriggeblieben. Paul, vor fünf Jahren aus russischer Kriegsgefangenschaft heimgekehrt, hatte keine gravierenden körperlichen Schäden zurückbehalten. Sein rechtes Auge war nur noch mit dreißig Prozent Sehkraft ausgestattet und an seinem linken Fuß hatte er durch Erfrierungen zwei Zehen eingebüßt.
Der Krieg hatte aber Spuren in seiner Seele hinterlassen, die ihn immer wieder in Niedergeschlagenheit versinken ließen.
Eine Anstellung zu bekommen schien unmöglich. Schließlich konnte er aber als Buchhalter in einem Metall verarbeitenden Betrieb anfangen.
Louisa arbeitete schon geraume Zeit in dem Buchantiquariat ihrer Freundin Nelly als Sekretärin.
Ganz allmählich erholte sich Paul, und das Leben mit seiner geliebten Louisa gab ihm Halt und Sicherheit.

Das Haus, in dem sie lebten, war teilweise zerbombt, und man konnte davon ausgehen, dass der Abriss bevorstand.
Es war an einem herrlichen Spätsommertag Ende September, als Louisa ihren Mann mit einem Brief in der Hand empfing.
„Nanu, Post?“, fragte Paul und wollte nach dem Brief greifen, aber Louisa gab ihn nicht her.
„Paul, es gibt schlechte Nachrichten. Wir müssen ausziehen.“
Er ließ sich auf einen Stuhl fallen und vergrub das Gesicht in den Händen. Louisa wartete darauf, dass er etwas sagte. Noch immer stand sie mit dem Schreiben in der Hand vor ihm.
„Paul?“
Er seufzte und richtete sich auf. „Wann?“
„Ende Dezember. Immerhin noch drei Monate.“
Paul stand auf und trat ans Fenster. Louisa ging zu ihm, schmiegte sich an seinen Rücken.

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