Leseprobe:
Unheimliche Erbschaft (Sarina M. Lesinski)
... Vor einer Woche hatte Melissa Post von einem Anwalt bekommen, einem
Dr. Stellmacher. Er teilte ihr in knappen Worten mit, dass Frau Marie
Bacher gestorben sei und ihrer Nichte, Melissa Wagenführ, ihren Haus-
und Grundbesitz und ein nicht unbeträchtliches Barvermögen vererbt
hatte. Frau Wagenführ möge doch bitte so schnell wie möglich
in seiner Kanzlei erscheinen, damit die Erbschaftsangelegenheit abgewickelt
werden könne.
Nun stand sie hier und versuchte, sich in die neue Situation hineinzufinden.
Melissa war mit einem Schlag eine reiche Frau. Das Grundstück mit
den darauf befindlichen Gebäuden war über eine Million Euro
wert und außerdem hatte sie noch fast zwei Millionen in Wertpapieren
geerbt und zweihunderttausend Euro Bargeld, die auf Maries Girokonto schlummerten.
Ihre Tante war eine geschäftstüchtige Frau gewesen, sie hätte
niemals soviel Geld auf einem Konto angelegt, das keine Zinsen einbrachte.
Also hatte sie mit diesem Geld etwas vorgehabt, aber was? Das Haus befand
sich in einem sehr guten Zustand, das Gartenhaus ebenfalls. Marie beschäftigte
schon seit Jahren Joost Hansen, eine Art Hausmeister, der sich um die
Gebäude kümmerte und den großen Garten pflegte. Seine
Frau Lisa hielt das Haus sauber und half Marie im Teeladen. Allerdings
war ihr der Zugang zum Gartenhaus verwehrt. Das putzte Marie stets selbst.
Womit hatte ihre Tante bloß soviel Geld verdient? Der Teeladen war
mehr ein Hobby, er warf gerade genug ab, um die Gehälter von Joost
und Lisa zu zahlen. Die Ferienwohnungen brachten ein paar Tausender im
Jahr, aber keine Millionen und auch die Fotoaufträge waren in den
letzten Jahren immer weniger geworden.
Was werden Sie jetzt machen mit all dem hier? Erschrocken
fuhr Melissa herum. Lisa hatte ihr die Frage gestellt.
Ich habe Sie gar nicht kommen hören, antwortete Melissa.
Entschuldigung, Lisa sah zu Boden, ich wollte Sie nicht
erschrecken. Maries Tod kam auch für uns überraschend. Zwar
haben wir sie in den letzten Wochen kaum noch zu Gesicht bekommen, aber
solche Phasen hatte sie öfter, zum Beispiel wenn sie einen großen
Fotoauftrag bekommen hatte. Dann vergrub sie sich in ihrem Atelier oder
war tagelang unterwegs auf Motivsuche.
Und Sie haben nicht bemerkt, dass sie immer schwächer wurde?
Melissa betrachtete Lisa aufmerksam. Sie war klein und zierlich, graue
Strähnen in ihrem dunklen Haar verrieten, dass sie älter war,
als sie aussah. Ihre Augen sprühten vor Energie und das kantige Kinn
verlieh ihrem Gesicht einen energischen Ausdruck.
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